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Jetzt ist sie also endlich fertig restauriert, die alte "Capelle am Blecke", wie diese Kirche zu ihrer Anfangszeit noch hieß. Es hat nicht wenig Geld gekostet, diese älteste evangelische Kirche Gelsenkirchens wieder so herzurichten, daß sie weiterhin für die Gemeinde Jesu Christi hier in der Gemeinde Bismarck und in der ganzen Stadt genutzt werden kann.
Viel Geld, das sicher nicht gut angelegt wäre, wenn es nur darum gegangen wäre, ein denkmalwürdiges Gebäude zu erhalten. Die Kirchengemeinde Bismarck und der Kirchenkreis haben sich für die zukünftige Nutzung zusammengetan und ein Konzept diskutiert, daß die Bleckkirche zur Kirche für die Stadt werden lassen soll.
Über Gemeindegrenzen hinaus soll ein Angebot entstehen, das auch Menschen an diesen Ort zieht, die die traditionelle Bindung an ihre Ortsgemeinde oder an Kirche im generellen verloren haben. Nicht aus Ignoranz oder Böswilligkeit oder gar aus verlorenem Glauben, sondern weil die städtische Kultur auch einen Menschen schafft, der die Fesseln der alten Institutionen abgeworfen hat und sich frei bewegen will auf dem Markt der Möglichkeiten, auch dem Markt der religiösen Möglichkeiten, so wie ihn eine Großstadt bietet. Kirche für die Stadt, Stadtkirchenarbeit ist das Stichwort. Dieser Begriff ist schillernd und vielschichtig. Und es ist kaum möglich, ihn in eine feste Definition zu pressen. Doch alle Stadtkirchenprojekte, in Deutschland und anderen Ländern haben eines gemeinsam; die Offenheit.
Diejenigen, die die Kirche von vor der Restaurierung kennen, haben ja schon bemerkt, daß sich das Interieur geändert hat. Die Offenheit, die Entsteht, wenn mal nicht so viele Besucherinnen und Besucher wie heute hier sind, wenn die Stühle gestapelt auf den Emporen stehen und die Kirche in einem großen Teil begehbar, durch-schreit-bar wird, diese Offenheit und Lichtheit des Raumes beschreibt auch das Konzept der hier zukünftig geplanten Arbeit.
Offen soll diese Kirche sein für die Menschen unserer Stadt. Offen für alle, welcher Konfession sie auch angehören mögen. Offen nicht nur dann, wenn es Veranstaltungen wie Gottesdienste oder Andachten gibt, sonder auch offen für den Besuch en passant, sozusagen neben bei. Ein Ort der Besinnung soll sie sein, ebenso wie ein Ort des Ausruhens, der Besichtigung oder der ganz persönlichen Vergewisserung der eigenen Religiosität, wie immer sie auch aussehen mag.
Offen soll diese Kirche sein für Experimente und Spontanes. Gottesdienste in neuerer Gestalt, Gottesdienste mit Partnerinnen und Partnern, die nicht aus dem sog. Binnenraum von Kirche stammen, Veranstaltungen der Kreiskirchlichen Dienste, die diesen Ort nutzen, um ihre Arbeit mit der spezifischen Atmosphäre dieses Raumes zu unterstreichen. Angebote in der Jugend-, Erwachsen- und Seniorenarbeit und vieles mehr ließe sich aufzählen. Die Arbeit hier wird maßgeblich getragen sein von der Phantasie all jener, die diese Kirche als Ort der Umsetzung ihrer Experimente und Ideen - so hoffe ich - annehmen. All das ist nicht in Konkurrenz zu der Arbeit in den Gemeinden zu sehen. Es ist eine Ergänzung, in dem sich Kirche und Glaube auf der Ebenen der Veränderten städtischen Kultur darzustellen vermag.
Offen soll diese Kirche damit auch sein für die Begegnung zwischen Religiosität und Glaube auf der einen und Kultur und Kunst auf der anderen Seite. Obgleich Kunst und Kirche historisch immer zusammen gesehen wurden und werden, klafft doch eine große Lücke zwischen der traditionellen sakralen Kunst in Kirchen und der sog. Alltagskunst, die sich im Wesentlichen aus der direkten Lebenserfahrung der Menschen speist und daraus ihre Themen bezieht. Dabei artikuliert sich gerade diese Alltagskunst oft auch in religiösen Dimensionen.
So soll die Bleckkirche zukünftig auch ein Ort sein, an dem insbesondere regionale Kultur und Kunst ihren Platz haben wird. Über Konzerte, Theater, Schriftstellerlesungen, Tanz und Ausstellungen soll der ganze Mensch mit seinem Körper, dem Geist und der Seele angesprochen werden.
Wie sich das ausdrückt und welche Dimensionen sich aus der Zusammenarbeit mit Künstlern und Literaten für das Verständnis und die Weitergabe christlicher Verkündigung ergeben können, dafür steht heute in diesem Gottesdienst - quasi exemplarisch für Zukünftiges - der Beitrag von Herrn Michael Klaus, Gelsenkirchener Schriftsteller, bei dem ich mich herzlich bedanke, daß er extra für diesen Anlaß einmal seine, vielleicht nicht ganz so kirchliche Sicht der "Geschichten der Bibel" vorträgt.
"Suchet der Stadt Bestes", ermutigt der Prophet Jeremia die Exulanten in Babylon. Was das Beste sei, das finden wir nur raus im Dialog, in der Offenheit zu einem Gespräch mit allen Personen und Gruppen , die, weil sie die Offenheit der Kirche begrüßen, Lust darauf haben, auch unkonventionelle Wege der Verständigung der christlichen Botschaft zu wagen.
Noch stehen wir am Anfang, noch müssen viele Kontakte erst geknüpft und Ideen ausgetauscht werden. Selbst ich bin noch gespannt darauf, was es wird.
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