Kein Krieg gegen Irak
Friedens-Demo · 10.02.2003 · Neumarkt, Gelsenkirchen
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Wir werden immer mehr!!

In vielen Städten Deutschlands, Europas in den USA und anderswo organisieren sich die Proteste gegen den drohenden Irak-Krieg.

Trotz oder gerade wegen der unleidigen und mit Blick auf unsere eigene verhängnisvolle Kriegsgeschichte auch beleidigende Mediendebatte über die internationale Isolierung Deutschlands durch ihr eindeutiges Nein zum Krieg, können und müssen wir auch heute von hier aus dem Kanzler und unserer Regierung zu rufen: Ihr seid nicht allein. Haltet fest an dem, was ihr versprochen und auf den Weg gebracht habt!

Wir Christinnen und Christen in unserem Land beobachten mit großer Sorge die intensiven Vorbereitungen auf einen kriegerischen Einsatz im Irak. Viele evangelische Landeskirchen und evangelische Einrichtungen, alsauch die katholische Kirche und ihr angehörende Institutionen haben sich ablehnend zu diesem Krieg geäußert und fordern die Bundesregierung dringlichst auf, ihre ablehnende Haltung beizubehalten.

Unsere Friedensethik lässt sich von dem unverrückbaren Grundsatz leiten: "Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein." Jeder Krieg ist ein so großes Übel, dass der Einsatz militärischer Gewalt von der Politik nur im äußersten Notfall erwogen werden darf und selbst dann immer noch unentrinnbar mit Schuld verbunden bleibt. Jeder Krieg bringt Elend über viele Unschuldige und erreicht meistens nicht einmal die Ziele, um deretwillen er geführt wird.

Aber nicht nur aus Glaubensgründen, sondern auch aus allgemein-ethischen wie völkerrechtlichen Gründen lehnen wir einen Angriff auf den Irak ab.

Die Charta der Vereinten Nationen verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, ihre Konflikte friedlich beizulegen. Auch die zwei eng definierten Ausnahmen von diesem umfassenden Gewaltverbot sind nicht gegeben - weder der Fall des Selbstverteidigungsrechts einzelner Staaten noch ein Beschluss der Vereinten Nationen, nach Kapitel VII der Charta militärisch vorzugehen.

Und erst recht kann ein Krieg allein zum Zwecke des Regimewechsels in einem anderen Staat nicht in Frage kommen, und schon gar nicht die willkürliche Ausweitung des nach dem Völkerrecht äußerst eng begrenzten Begriffes der Prävention.

So fordern wir, dass den Vereinten Nationen alle nach wie vor vorhandenen anderen Möglichkeiten belassen werden, das Ziel der Entwaffnung des Irak zu verwirklichen und mit friedlichen Mitteln der Sicherheit und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten zu dienen.

Allerdings verkennen wir dabei auch nicht, dass die menschenverachtende Politik Saddam Husseins, vor allem sein - jedenfalls in der Vergangenheit unzweifelhaftes - Bestreben, sich in den Besitz atomarer, chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen zu bringen, und seine Weigerung, die Forderungen der Vereinten Nationen in ihrer Gesamtheit zu erfüllen, die Eskalation des Konfliktes erst ermöglicht hat. Die Entwaffnung und die Demokratisierung des Irak bleibt ein wichtiges Ziel zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte.

Wer jedoch jetzt von der Androhung zur Ausübung militärischer Gewalt übergehen will, um dieses Ziel zu erreichen, der schuldet dem Weltsicherheitsrat und der Weltöffentlichkeit den stichhaltigen Nachweis, dass sämtliche anderen Versuche, die Resolution der Vereinten Nationen durchzusetzen, endgültig versagt haben. Dieser Nachweis ist bisher nicht erbracht worden.

Das globale Ziel aller Politik - auch im Irak-Konflikt - muss der gerechte Friede sein, nicht aber die Suche nach einem gerechten Krieg.

Und darum ist es entlarvend, wenn US-Präsident Bush - wie es der EKD-Ratsvorsitzende Kock zurecht beklagte - zur Begründung eines Angriffes auf Irak ähnliche Argumentationen wie islamische Fundamentalisten nutze. Der Krieg wird von Bush als "Mittel einer heiligen Pflicht der Menschheitsbefreiung und Erlösung" beschrieben. Das ist mehr als furchtbar und führt in die dunkelste Geschichte des Christentums zurück, die erst mühsam durch die Erfahrungen des Holocaust und der beiden großen Weltkriege überwunden wurde.

Die Aufteilung der Welt in Gut und Böse, in der sich die USA als "Repräsentant des Guten" sieht, der der Welt die Erlösung bringt, liegt verächtlich nahe an der Auffassung islamischer Fundamentalisten, die im Grunde die gleiche Terminologie verwenden und für sich solch ein göttliches Sendungsbewusstsein zur Begründung ihrer politischer Aktivitäten reklamieren.

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler setzte noch eines drauf, als er Bush indirekt vorwarf, er handele wie ein "christlicher Ayatollah".

"Kein Krieg für Öl" war die Parole der Friedensdemonstrationen schon im 1. Irak-Krieg. Auch wenn diese Parole die Hintergründe des drohenden Konfliktes nur verkürzt und wenig analytisch wiedergibt, sie gilt auch jetzt noch. Wir wissen nur zu gut, dass es den US-Eliten letztlich um die Stabilisierung ihrer Macht und die Durchsetzung ihrer ökonomischen Ziele geht. Mit Demokratie hat das ebenso wenig zu tun, wie mit der Wahrung der Menschenrechte oder dem Ziel einer sich in Gerechtigkeit organisierenden Welt- und Völkergemeinschaft.

Hier zeigt der Kapitalfaschismus des US-amerikanischen militärischen Komplexes und der Lobbyisten global agierender Unternehmen sein wahres Gesicht.

Dem Versuch die Möglichkeit des Präventivkrieges als probates und legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer wie ökonomischer Ziele neu zu etablieren, muss widerstanden werden.

Der politische Kurs des Unilaterismus ist eine ebenso große, wenn nicht gar größere Bedrohung für Frieden, Demokratie, Wahrung der Menschenrechte und globale Gerechtigkeit, wie der Versuch einzelner Diktaturen und terroristischer Gruppen, mit Bedrohungsszenarien den mühsamen Weg der Völker hin zu einer auf Frieden ausgerichteten Weltgemeinschaft zu torpedieren.

Wir brauchen eine sich weltweit vernetztende und starke Widerstandsbewegung, die sich gegen diese Globalisierungsziele und insbesondere der Mittel zu ihrer Durchsetzung wendet.

Denn der Krieg gegen den Irak - so steht zu befürchten - ist nur der Anfang sich weltweit zuspitzender militärischer Konflikte, in denen die US-Eliten die Oberhand behalten wollen.

Wir rufen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, George W. Bush zu: "The Game is over!" Wir lassen uns nicht weiter für die Interessen einer menschenverachtenden Weltordnung unter der Führung der USA instrumentalisieren.

Wir akzeptieren die Ziele, die zur Begründung eines Krieges gegen den Irak angeführt werden nicht. Ein präventiver kriegerischer Angriff als Mittel, um die Regierung eines souveränen Staates auszuwechseln, ist unmoralisch und stellt eine Verletzung der UN-Charta dar.

Wir appellieren an den Sicherheitsrat, an den Grundsätzen der UN-Charta festzuhalten, die die legitime Anwendung militärischer Gewalt eng begrenzen, um zu vermeiden, dass ein negativer Präzedenzfall geschaffen wird, der die Hemmschwelle erniedrigt, gewaltsame Mittel zur Lösung internationaler Konflikte einzusetzen.

Für mich als Christ und für meine Kirche ist es eine geistliche Verpflichtung, die auf Gottes Liebe zur ganzen Menschheit gründet, sich gegen den Krieg im Irak zu stellen.

Mit dieser Botschaft senden wir ein starkes Zeichen der Solidarität und Unterstützung an die Kirchen im Irak, im Nahen Osten und in den USA. Wir beten, dass Gott die Verantwortlichen leiten möge, Entscheidungen zu treffen, die auf der Basis sorgfältiger Überlegung, moralischer Prinzipien und hoher rechtlicher Standards beruhen. Wir laden alle ein, sich uns in diesem Zeugnis anzuschließen, für eine friedliche Lösung dieses Konflikts zu beten und alle Menschen zu ermutigen, sich am Ringen um eine solche Lösung zu beteiligen.

Der Gott des Friedens segne die Menschen seines Wohlgefallens.

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© Thomas Schoeps 2003